Die Gewöhnliche Rosskastanie stammt aus räumlich abgegrenzten Populationen auf der Balkanhalbinsel in Teilen Griechenlands, Albaniens und Nordmazedoniens. In ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet besiedelt sie frische, nährstoffreiche und tiefgründige Böden in den Berg- und Schluchtwäldern mittlerer Gebirge zwischen 900 und 1300 m Meereshöhe. Die Gattung der Rosskastanien war im Tertiär über weite Teile Europas verbreitet und konnte sich während der Kaltzeiten des Quartärs in die Refugialgebiete auf der Balkanhalbinsel zurückziehen. Im Jahr 1576 gelangte die Baumart aus Konstantinopel nach Wien und von dort aus im 17. Jahrhundert wieder nach Mitteleuropa.

Der bis zu 30 m hohe sommergrüne Laubbaum ist ein beliebter Straßen- und Alleebaum und wurde bereits im 17. Jahrhundert in Parkanlagen und Grünflächen verwendet. Gerne wurde er wegen seiner breit ausladenden Krone als Schattenspender in Biergärten gepflanzt. In der Forstwirtschaft spielt die Baumart keine Rolle.

Die Gewöhnliche Rosskastanie hat sehr dekorative, fingerförmig gelappte und oberseits sattgrüne Blätter. Ihre spektakulären, im April und Mai erscheinenden Blütenstände sind eine gute Bienenweide, da sie reichlich Nektar und Pollen produzieren. Die in einer kugelig-stacheligen Fruchthülle reifenden, rotbraun-glänzenden Früchte fallen im September und Oktober zu Boden. Sie werden nicht nur vom Wild als stärkehaltige Nahrung aufgenommen, sondern auch seit früher Zeit von Kindern gesammelt und zum Basteln verwendet. Die Gewöhnliche Rosskastanie kann ein Alter von bis zu 300 Jahren erreichen. Der meist kurze und kräftige Stamm weist häufig einen Drehwuchs im Uhrzeigersinn auf. Die graubraune, plattige Borke blättert im Alter in Schuppen ab.

Seit 1984 hat sich von Südosteuropa aus die Rosskastanien-Miniermotte (Cameraria ohridella) verbreitet. Vermutlich hatte die Miniermotte gemeinsam mit der Rosskastanie in den eiszeitlichen Refugien überdauert. Der Kleinschmetterling legt seine Eier auf der Oberseite der Blätter ab, die geschlüpften Räupchen fressen sich ins Blattinnere und minieren unterhalb der Blattoberfläche. Es entstehen braune Flecken auf der oberen Blattseite, die bei starkem Befall den größten Teil des Blattgrüns vernichten und bereits im Sommer zu einem vorzeitigen Laubfall führen. Neben der optischen Beeinträchtigung geraten die Bäume bei regelmäßigem starkem Befall in eine dauerhafte Stresssituation. Bislang sterben die Bäume jedoch durch den Befall nicht ab.

Eine weitaus gravierendere Erkrankung ist von den Niederlanden aus nach Nord- und Westdeutschland eingewandert. Das vermutlich aus Indien stammende und seit 2002 in den Niederlanden auftretende Bakterium Pseudomonas syringae pv. Aesculi wurde 2007 erstmals in Deutschland nachgewiesen. Die Krankheit führt zu Nekrosen an Kambium und Rinde, es bilden sich Risse und Schleimflussflecken am Stamm und den Ästen. Schließlich wird die Belaubung schütter, Äste, Kronenteile und der ganze Baum sterben ab. Die geschwächten Bäume werden anfällig für Weißfäule erzeugende Pilze und werden sehr schnell statisch instabil. Zahlreiche befallene Einzelbäume und Alleen mussten bereits gefällt werden.

Bildquelle: Christoph Michels, Dipl. Forstwirt